Bresser Messier AR-102s

      

                                        Bildquelle: Bresser.de    Bildquelle: Bresser.de

 

Zwar besitze ich eine stattliche Flotte an überwiegend hochwertigen Teleskopen, aber ein Refraktor mit 2“ OAZ fehlte noch in meiner Sammlung. Insbesondere gingen mir immer wieder Ideen durch den Kopf, astrofotografisch die chromatische Abberation, also den Farbfehler der Refraktoren, zu umgehen. Eine Lösung wäre gewesen, nur Schwarzweißaufnahmen anzufertigen, die ich über alles liebe, seitdem ich die monochrome Astrokamera ASI1600MMC besitze. Mein Astrofreund Marcus Schmid hatte unabhängig davon die Idee, mit nur zwei Schmalbandfiltern ziemlich realitätsnahe Farbaufnahmen zu erreichen. Einen roten 12 nm Ha-Filter für Wasserstoffnebel hatte ich schon, den ich oft intensiv einsetzte bei Nebeln, weil hiermit feine Details regelrecht raus geprügelt werden, so daß man sehr moderat mit Gradationskurven und Tonwertkorrektur arbeiten kann zu Gunsten der Bildqualität. Mein Kumpel empfahl mir noch einen 12 nm O3 Filter, der farblich zwischen grün und blau liegt, also prinzipell von beiden Farben etwas erfasst. Daß durch diese zwei Filter auch der blaue Saum um die Sterne deutlich geschwächt würde, war mir klar, aber zu dem verblüffenden Ergebnis mehr dazu später.

 

                                                          Optikkauf - Vertrauenssache 

Da mir seit vielen Jahren bekannt ist, daß die meisten Händler Optiken ungeprüft ausliefern,  bei Chinaware sehr oft kritisch, kamen für mich nur 2 Händler in Frage, mit denen ich und paar Astrofreunde in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen gemacht hatte: Teleskop Austria und Teleskop-Spezialisten. Ich entschied mich für letzteren. Etwas genervt berichtete er mir nach der Lieferung von einer notwendigen Vorselektion, da sehr oft nicht jedes Gerät verkaufsfähig ist, dem enormen Justieraufwand, den er aber nicht zusätzlich berechnen kann oder will, so daß er bei den billigen Geräten wie meins nichts verdient, wenn er seinen Zeitaufwand berechnen würde. Das Gerät kam gut justiert an, allerdings hatte sich durch den Transport der OAZ gelockert, mehr dazu gleich.

 

Lieferumfang

Der Refraktor kommt mit einem 6x30 mm Sucherfernrohr aus billigem Kunststoff. Schlimmer ist aber der dazugehörige Sucherschuh, der von den Maßen eine proprietäre Lösung darstellt. Gerade für Autoguiding kann man nicht die üblichen 8*50 Sucher mit dem deutlich breiteren Fuß verwenden, hier ist ein extra Sucherschuh notwendig, wie von Orion UK, GSO Skywatcher verwendet. Wer das Gerät auch visuell verwenden will, wird fleißig umbauen, oder sich noch einen zusätzlich 8x50 Sucher kaufen müssen.

Eine GP-Prismenschiene ist dabei, ebenso ein 1.25“ Amiciprisma aus Kunststoff, letzteres wirkt nicht gerade hochwertig. Ganz anders der Refraktor, der vollständig aus Aluminium besteht, dessen Tauschutzkappe aber nicht einziehbar ist. Sehr umworben ist der neue Hexafoc Fokusierer. In der Tat wirkt er sehr robust und leistet Verkippung guten Widerstand. Ein Witz aber ist die fehlende 10:1 Untersetzung, die man aber für teure 79 € nachrüsten kann. Dies werde ich nachholen, da ich so langsam feststelle anhand beeindruckender Astrofotos, es lohnt sich, in das Gerät zu investieren, weshalb ich bisher auch noch keinen Flattener mir angeschafft hatte. Da die Optik ein Öffnungsverhältnis von rund f/6 besitzt (exakt gerechnet f/5.9), kann man mit etwas Feingefühl mit der Hand recht dennoch fokusieren. Bei f/8 und langsamer würde ich auf eine Untersetzung verzichten.

 

                                                               Der Hexafoc Okularauszug

Dieser wird von Bresser als innovativer Fortschritt beworben, was aber relativiert werden muss. Die Justagemöglichkeiten am OAZ betrachte ich mit gemischten Gefühlen. Da mein eigentlich justierfreudiger Händler meinte, meine selbst verschuldete Verkippung könne man nur geringfügig korrigieren, habe ich den OAZ von allen Seiten fotografiert, die vielen Schrauben durchnummeriert, und diese Fotos Bresser geschickt mit der Bitte, mir die Funktion der Schrauben zu erklären. Innerhalb von knapp 24 h kamen hoch kompetente Erklärungen zurück. Der OAZ ist in eine Art Manschette gesteckt, und 3 Madenschrauben werden durch diese geschraubt, die dann gegen den OAZ drücken zusammen mit einer Rändelschraube, also diesen somit befestigen, klemmen. Allerdings waren die weichen M4 Madenschrauben nach nur wenigen Versuchen am Kopf so ausgelutscht, daß ich diese durch gewöhnliche Gewindeschrauben ersetzt habe. Zwar schauen diese Schrauben nun aus dem OAZ hervor, was aber nicht stört. Da diese Schrauben auf das relativ weiche Aluminium des OAZ drücken, sich folglich reinbohren könnten, besteht die Gefahr einer Lockerung des OAZ. Hier hätte Bresser Schrauben mit größerer Fläche verwenden müssen, um den Druck zu verringern (p=F/A)Hier sind Langzeitbeobachtungen notwendig. Allerdings gibt es schon ein Warnsignal, denn der OAZ hatte sich durch einen 200 km DHL Transport gelockert. Eine Verkippung herauszujustieren ist reines Trial and Error Verfahren, da das Ergebnis einer Schraubenbewegung nicht vorhersagbar ist. Mit einem Concenter konnte ich den OAZ aber innerhalb ca. 10 Minuten von seiner Verkippung weitgehend befreien. Ein 100% exaktes Ergebnis kan man mit dieser einfachen Vorrichtung nicht erwarten, ist aber bei f/6 m.E. auch nicht notwendig. Außerdem muss man auch immer den Preis beachten, der mit etwa 220 € verdammt günstig ist, da kann man nun mal nicht allzuviel erwarten! Auch ein kurzer Test mit dem Cheshire zeigten, daß die beiden Linsen sich in korrekten Positionen befanden. Das hatte ich auch erwartet, weil Teleskop Spezialisten damit wirbt, Geräte vor dem Versand zu justieren.

Sehr schön auch das M68 x 0,75 Gewinde am OAZ, wenn man das Teil abschraubt, was Okulare klemmt. Über einen TSIS-M48 Adapter kann man einen Flattener oder auch Reducer am OAZ festschrauben, so daß die Gefahr weiterer Verkippung erheblich reduziert wird. Apropos Flattener, traurig aber, daß Bresser keine Erfahrungen mit Flattener vorliegen und folglich keinen empfehlen können. Hat man kein Vertrauen in die astrofotografischen Fähigkeiten des AR-102s?

     Die Optik

Der Bresser Messier AR102s ist ein zweilinsiger Refraktor mit einer Öffnung von 102 mm und 600 mm Brennweite, was ein Öffnungsverhältnis von f/5.9 ergibt. Er wird als Fraunhofer beworben allerdings würde Joseph von Fraunhofer sich im Grab umdrehen bei solchen lichtstarken Objektiven, denn er hätte schätzungsweise f/15 spendiert, um den Farbfehler erträglich zu halten. Bewußt habe ich mir ein moderates Öffnungsverhältnis von rund f/6 ausgesucht obwohl Bresser schnellere f/5 Systeme anbietet. Ich liebe solche gemäßigten Öffnungsverhältnisse, auch bei Newtons, denn sie bieten viele Vorteile gegenüber schnelleren Systemen, etwa:

- gutmütiger bei thermischer Ausdehnung und der daraus folgenden Defokusierung

- toleranter bei Verkippung des OAZ und des Objektivs

- preiswerte Okulare wie Plössl oder Erfle können verwendet werden

- Fokusierung ist einfacher

- weniger Vignettierung und bessere Ausleuchtung

- bei Dejustierung der Optik toleranter in den Auswirkungen

- Auflösungs-/Schärfeabfall zu den Rändern hin geringer


First light

Nach diesen mechanischen Problemen folgte das first light. Das auffallend ruhige Beugungsscheibchen war intra- und extrafokal gleich und lehrbuchartig. Wieder fokussiert waren die Sterne nadelfein und das Bild wirkte nach wie vor ruhig, halt Refraktor. Schließlich haben Geräte mit niedrigem EER (= Strehl mit berücksichtigter Obstruktion) deutlich mehr mit Luftunruhe zu kämpfen als Teleskope mit hohem EER! Just for fun hatte ich mal M42 als RGB Aufnahme aufgenommen, um den Farbfehler mal zu sehen. In der Tat hatten die hellen Sterne einen deutlichen Blausaum was aber bei f/5.9 zu erwarten ist. Schließlich kann man Refraktoren mit so schnellen Öffnungs-verhältnissen nicht als Fraunhofer Achromaten bezeichnen, Herr Fraunhofer hätte schätzungsweise f/15 spendiert. Allerdings hatte ich mir nicht das Teleskop als RGB Fotomaschine gekauft, da mir die Farbfehler seit vielen Jahren bekannt waren. So fing ich erst einmal mit Schwarzweißaufnahmen an, Ha- und O3 nacheinander aufgenommen, und dann in Photoshop kombiniert. Es sah Klasse aus, die Sterne wirkten völlig normal. Meinem hochj geschätzten Astrofreund Marcus schickte ich dann die darkbereinigten und gestackten Bilder, der daraus Farbbilder generieren sollte. Nach einiger Zeit kamen interessante Ergebnisse an, die zwar farblich noch Potential besaßen, aber schon beeindruckten, insbesondere die weiteren Versionen. Nachdem mein Kumpel mir eine fachliche Hochdruckbetankung an Photoshop vorher verpasste hatte, fing ich selber an, meinen Objekten solide Farben zu verpassen, was mit wenig Aufwand geschah. Ich musste nur bei einem neuen Bild die Ha- Aufnahmen dem Rotkanal zuordnen, die O3 Lights gingen zu dem Grün- und dem Blaukanal. Dann noch die Ebenen etwas zurecht rücken, und schon das erste Ergebnis sieht schon sehr brauchbar aus. Worauf ich bei den Aufnahmen großen Wert gelegt hatte, nachdem ich mit Ha-Fotos fertig war, O3 musste neu fokussiert werden, denn der Fokus lag hier deutlich entfernt, was auch zu erwarten ist, da ein Refraktor nur für 2 Farben, meistens rot und grün korrigiert ist. Wenn man dies beachtet, erhält man nicht nur scharfe Fotos, sondern auch der Blausaum um helle Sterne ist weg. Siehe hierzu die folgenden Fotos, der Orionnebel M42 und Affenkopfnebel NGC2174, wobei ich nochmals darauf hinweisen muss der Fairness halber, daß noch kein Flattener verwendet wurde!

Für eine vergrößerte Darstellung auf die Bilder klicken!


Noch beeindruckender ist Schwarzweiß, hier nur mit Ha- Aufnahmen angefertigt, da im Nebel fast keine O3 Informationen vorliegen. Das nachfolgende Bild ist außerdem eine Ausschnittsvergrößerung , um den imposanten Affenkopfnebel NGC2174 richtig zu betonen.


Damit es nicht heißt, ich will den Farbfehler mit Schwarzweißaufnahmen vertuschen, hier nun die Farbaufnahmen, sogar mit Ausschnittsvergrößerung:

  

 

Fazit: Man kann sehr wohl, wie man sieht, beeindruckende Aufnahmen mit so einem preiswerten Refraktor erreichen. Diese Ergebnisse haben mich motiviert, verstärkt Refraktoren einzusetzen. Die Ergebnisse werde ich natürlich in meiner Bildergalerie veröffentlichen. Ein mindestens zehn mal teuerer Apo liefert kein zehn mal bessere Qualität, der Vorsprung ist marginal, vorausgesetzt, der preiswerte Refraktor ist deutlich beugungsbegrenzt, was bei Teleskopen in der Regel der Fall ist, wenn diese vor der Auslieferung geprüft und ggf. justiert wurden. Schließlich werden auch Edelgeräte erheblich optisch ausgebremst durch atmosphärisches Seeing, aber auch Tubus- und Bodenseeing sind weitere Bremsen. Was nutzt ein vorbildlicher Spotdurchmesser eines Sterns nahe am Rand, wenn das Seeing diesen auf ein Vielfaches aufbläht? Eine ähnliche Argumentation verwenden gerne Spiegelliebhaber, die zu Recht sagen, die Obstruktion verschlechtert relativ gesehen am wenigsten das Bild im Vergleich zu den Seeingarten. Schließlich können Edelteleskope ihre optische Leistung nur im Weltraum ausspielen, also jenseits unserer Möglichkeiten. Natürlich bieten teurere Geräte wesentlich bessere mechanische Merkmale, so daß mein Ergebnis niemals lauten kann: 220 € reichen für eine Optik! Meine Kernaussage soll sein, wer sich mehr nicht leisten kann, für den ist ein solches günstiges Einsteigergerät eine Empfehlung, man kann damit schon eine Menge erleben, wie ich aufgezeigt habe es ist kein rausgeschmissenes Geld wie etwa ein Newton mit f/4 Kugelspiegel.

Kirchdorf im Januar 2017

 

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