Schneller Frust

                                   

                                                               Ein schneller, kurzer 8" f/4, der Lacerta Newton ohne Namen, ein Garant für Probleme, ein Bullenritt wie mit jeder schnellen Optik 

 

Wer kennt es nicht: Da werden schnelle Newtons angeboten, die natürlich reizen, kann man doch kürzer belichten, bzw. man erreicht bei gleicher Belichtungszeit Bilder mit geringerem Rauschen und mehr Details. So erlaubt ein f/4er System gegenüber einem moderaten f/6er etwa eine um den Faktor 2,2 kürzere Belichtung. Klingt alles sehr schön, und auch auf den Händlerseiten wird wie üblich Euphorie verbreitet, Nachteile existieren natürlich nicht, werden folglich nicht aufgeführt. Schließlich lautet das Motto wie immer: Verkaufen um jeden Preis. Beim Justieren zu Hause oder bei der Astrofotografie/Beobachtung beginnt aber der  grausame Tag der Wahrheit. Schnelle Newtons sind meistens schwerer abzugleichen, besonders da ein deutlicher Fangspiegeloffset besteht. Bei einem f/3 Spiegel reicht selbst ein Laser nicht von der Genauigkeit! Transportiert man  den Tubus eine kleine Strecke, etwa von der Wohnung in den Garten, kann oft schon das Gerät wieder dejustiert sein. Selbst wenn die Spiegel nur  etwas verstellt sind, so reagieren diese schnellen Teleskope mit erheblichen Bildverschlechterungen im Gegensatz zu den moderaten f/6 Geschwistern! Bei einem f/8 System kann man sich oft sogar eine erneute Prüfung ersparen, so gutmütig verhalten sie sich. Aber der Kampf geht weiter. Aufgrund einer um den Faktor 2,25 geringeren Schärfentiefe eines f/4ers gegenüber einem f/6ers kann eine leichte Defokussierung beim f/4er deutlich schlechter kompensiert werden. Diese ergibt sich durch die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der Paarung Tubus - Spiegel, wenn sich die Temperatur ändert. Wenn diese in der Nacht nicht konstant ist, sollte man öfter den Fokus kontrollieren. Überhaupt muss dieser sehr feinfühlig und extrem genau eingestellt werden bei den schnellen Systemen, da gibt es keinen Toleranzbereich. Eine Bahtinovmaske als Fokussierhilfe ist da empfehlenswert, wo man bei einem f/6er System und langsamer einen spürbaren Toleranzbereich hat, weshalb eine schlechte Fokussierung deutlich weniger Konsequenzen hat ! Meistens wird die Kamera an den Okularauszug geklemmt, womit immer eine minimale Verkippung garantiert ist, besonders bei den häufig verbauten Crayfordauszügen. Moderate Systeme können diese durch die erhöhte Schärfentiefe ganz oder teilweise ausgleichen je nach Stärke der Verkippung, während die schnellen Teleskope dann in den Ecken mit deutlichenen Defokusierungen/Koma  kämpfen. Fazit: Die Wahrscheinlichkeit von Ausschuss ist erheblich größer, womit sich der Zeitvorteil der Belichtungen teilweise aufhebt. Daher stellen verschraubte Kameras und Korrektoren das absolute Maximum an Qualität dar, vorausgesetzt, der Auszug verkippt nicht und ist nicht krumm. Aber es existieren noch weitere Nachteile. f/4 Newtons und schneller, f/3 gibt es auch, kämpfen meistens mit deutlicher Vignettierung. Diese ist bei langsameren Systemen erheblich unkritischer, etwa f/6. Natürlich kann man diese mit Flats kompensieren, was aber weiterer Aufwand bedeutet und Nebeneffekte verursacht.  Bei größeren schnellen Spiegeln ab 12" ist auch ein 3" Auszug notwendig, damit dieser nicht zusätzlich vignettiert, und die sind erheblich teurer als die Massenware 2" OAZs. Schnelle Spiegelsysteme benötigen größere Fangspiegel, womit die Obstruktion (Abschattung des Spiegels) steigt. Bei hohen Vergrößerungen erkenntman dann einen erheblichen Schärfe- und Kontrastverlust, wenn man deutlich über 20% Obstruktion liegt. Bei Astrofotografen ist dieser Effekt vernachlässigbar, aber dennoch vorhanden, denn mit zunehmender Abschattung wird mehr Licht aus dem Beugungsscheibchen in die Beugungsringe verschoben, womit aber das Gesamtgebilde größer wird und die Auflösung und Schärfe abnehmen, ebenso der Kontrastumfang. Aus diesem Grund  kann man bei moderaten Systemen ab 10" aufgrund der kleinen Fangspiegel gute Obstruktionswerte von 20% erreichen, womit Planeten- und Mondbeobachtung  zum Genuss werden. Ich besitze zwei Orion UK Newtons 10" und 12 " mit 20 und 21 % Obstruktion (f/6.4 und f/5.3). Als ich bei gutem Seeing damit zum ersten Mal  Jupiter angeschaut hatte, konnte ich mich aufgrund der Schärfe und damit verbundenen vielen Details in den Wolkenstrukturen nicht satt sehen. Bisher hatte ich an Newtons meistens detailarme matschige Planeten erkennen können. Neben der niedrigen Obstruktion spielen natürlich auch die meistens hervorragenden Orion UK Spiegel eine entscheidende Rolle. Gerade mal beugungsbegrenzt, sprich Strehl von 0.8 reicht nicht ganz aus, auch wenn es die Händler anders sehen, die in 99%  der Fälle nur mittelmäßige Spiegel oder sogar Schrott anbieten. Gerade ein hochstrehliger Spiegel leistet dem schlechtem Seeing noch am meisten Widerstand. Bei einem schlechten Spiegel kann ein Stern um den Flächenfaktor 4 verschmierter sein als bei einem sehr guten Spiegel, wenn das Seeing Mist ist. Kann man in dem legendären Artikel "Optikmythen" nachlesen.  

An APS-C Sensoren mit 28 mm Diagonale schlagen sich f/6 Systeme ganz akzeptabel, wie das folgende Bild mit einer 16 Megapixel unmodifizierten (!) Nikon D5100 zeigt. Am rechten Rand wird Koma ganz leicht angedeutet, also noch nicht störend. Es handelt sich um eine einzige, völlig unbearbeitete 30s Aufnahme ohne Korrektor, ohne Darkabzug, ohne Autoguiding mit meinem Orion UK VX8L, (200/1200). Gerade so ein hochauflösender Sensor mit kleinen Pixeln zeigt gnadenlos deformierte Sterne:

http://www.scottys-universe.de/Bilder1100/M42_VX8L_30s_D5100__no_corrector_no_autoguiding_2.jpg

Sicherlich bringt der Einsatz eines Koma Korrektors wie der vierlinsige von GPU deutlich kleinere Sterne am Rand. Aber merkt man das bei meinen Bildern ohne Koma Korrektor?  Nur im direkten und schwierigen Vergleich! Ein Ritchey Cretien kennt kein Koma, dafür werden die Sterne zum Rand hin deutlich größer, was akzeptiert wird. Also brauch sich so ein moderater korrektorloser Newton nicht verstecken.

Selbstverständlich gibt es Komakorrektoren, die das Koma noch stärker reduzieren als sogar ein f/8 System. Allerdings produzieren die billigen zweilinsigen Systeme im Bereich der optischen Achse Unschärfe durch sphärische Abberration. Sehr gute Korrektoren wie der Paracorr liegen im 500 € Bereich und erhöhen die Brennweite um 15%, womit die Belichtungszeit um 32% steigt. Allerdings gibt es auch noch die schon erwähnten ebenso guten Korrektoren von GPU und ES. Außerdem muss man den Abstand Korrektor-Sensor genau einhalten, sonst kommt erheblicher Astigmatismus auf, sprich verzerrte Sterne. Die Gefahr einer Verschlimmbesserung ist also sehr hoch! Auch die Vignettierungsgefahr steigt ggf. an, da man sich je nach Korrektor noch weiter vom Fangspiegel entfernt. Aber die Nachteile gehen noch weiter. Natürlich hat jeder Spiegel Toleranzen, also Fehler. Diese wirken sich bei schnellen Systemen erheblich stärker aus als bei gemäßigten. Gleichzeitig ist es schwieriger schnelle Spiegel zu parabolisieren, womit sich natürlich mehr Fehler ergeben, die sich dann auch noch dramatischer auswirken als bei f/6. Die Folge: Langsamere Spiegelsind meistens von deutlich besserer Qualität, die logische Konsequenz. Ab f/4.5 und schneller wird bei den hervorragenden Robert Royce Spiegeln von vornherein betont, dass der Strehl unter 0.94 liegt, da die schnellen Spiegel schwieriger herzustellen sind! Mindestwerte gibt man gar nicht erst an..... 

Und wenn ich auf Wolfi Ransburgs Seite lese, er braucht für das ordentliche Fokussieren bei einem f/3.5 Spiegel 20 Minuten, obwohl Wolfi viel Ahnung hat, dann spricht das Bände! Ein erfahrener Kollege von ihm jammerte, dass er für seinen Boren Simon f/2.8 schon einen Motorfokus benötigt, damit man trotz 10:1 Untersetzung das Bild überhaupt noch scharf bekommt, per Hand ein Glücksspiel! Ein anderer Astrofotograf mit einem f/3 System schrieb mal im Forum, dass er keine 15 Minuten am Stück belichten kann, weil er alle 10 Minuten nachfokussieren muss .... Man muss sich also permanent am Teleskop aufhalten. In einer warmen Sommernacht mag das noch ganz romantisch sein, aber in einer kalten Winternacht wird es dann sehr ungemütlich und gesundheitlich bedenklich. Zwei baader Angestellte schrieben in einem Forum, bei ihrer ultraschnellen f/2 Schmidt Kamera müssten sie mehrmals in einer Nacht nachjustieren.Wollen Sie sich diesen Stress antun? Da liege ich dank Fernsteuerung über die Freeware UltaVNC lieber vor dem warmen Kamin und schaue gemütlich zu, was für Bilder gerade geschossen wurden.  Ein weiterer Schwank aus der Praxis zum Thema schnelle Systeme: Ein Bekannter von mir ist umgestiegen von der visuellen Beobachtung zur Astrofotografie. Ein Händler hat ihm zum Einstieg gleich ein sehr sportliches Hyperstarsystem mit f/2 angedreht. Der arme Kunde konnte mir keine Astrofotos zeigen, da er monatelang mit hochgenauem Justieren beschäftigt war aufgrund völlig verzogener Randsterne. Was meinen Sie, warum der mit Dankbarkeit meinen Takahashi 60CB mit f/6.25 gekauft hat und mir sofort gute Fotos mit dem neuen Gerät vorlegen konnte, während ich bis heute noch kein f/2 Foto sehen durfte? Da fällt mir nur der (Ikea) Spruch ein: Justierst du noch, oder fotografierst du schon.....

Sollte man daher lieber schnelle Apos nehmen? Um Gottes Willen! Die schnellsten liegen bei f/5 (und f/5 ist nicht wirlich schnell) und kämpfen dann erheblich mit Farblängstfehlern. Selbst Spitzengeräte wie der schnelle Takahashi FSQ 106 haben erhebliche Probleme. So wird ein Strehl von gut 0.9 nur im grünen Licht erreicht, im blauen 0.8, und im Wasserstoffalphabereich nur 0.5! Auch der Fokus im blauen Licht liegt 0.35 mm weiter entfernt von den anderen Farben, so dass man nachfokussieren muss. So ist bei Astrofotografie und monochromen Kameras es absolut notwendig, für jede Farbe neu zu fokussieren. Auch Apos erreichen ihre beste Qualität bei f//7 bis f/9!  Was meinen Sie, warum Takahashis Referenzteleskope, die TOAs mit f/8 ausgestattet hat; Astro Physics legendären Starfires zwischen f/7 und f/8 meistens  liegen???? Davon ganz abgesehen wird ein Apo ab 200 mm unbezahlbar, fünfstellig, ab 10 Zoll sechsstellig, vom Gewicht ganz zu schweigen. Als ich 2013 meinen neuen Orion UK 250/1200 bekam (CT10, f/4.8), was meinen Sie, verehrte Leser, was das für ein Aufwand war, ein vernünftiges Bild dem zu entlocken, also runde Sterne! Mir musste sogar ein erfahrener Leiter von der Sternwarte helfen. Was hat der rumjustiert am OAZ, Fang-, Hauptspiegel und Spiegelzelle, Laser, Chesire, Concenter, alles im Einsatz. Aber nicht grob abgeglichen, sondern auf den Punkt genau! Erst im 2. Versuch war das Bild halbwegs okay. Der linke Rand noch nicht perfekt aufgrund von Verkippung des OAZ und Fangspiegels. Erst Wolfi von TS hat nach einer einstündigen Operation meinen Newton zu unglaublicher Höchstleistung gebracht. Dabei ist f/4.8 noch deutlich gutmütiger als f/4......Wenn ich meinen f/6.4 Newton auf die Montierung setze und der Laser zwischen Loch und 1. Ring steht, also das Rohr etwas dejustiuert ist, verzichte ich auf  Justage, denn die Sterne sind dennoch überall schön rund!

Bisher habe ich nur von Astrofotografie gesprochen. Auch die Freunde der visuellen Beobachtung haben ihren "Spaß" bei schnellen Systemen, etwa f/4. Einfache Okulare wie Erfle, Plössl, etc. können die vergessen, denn die antworten mit Koma und deutlichem Astigmatismus (Verzerrungen). Dann sind teure Okulare angesagt, die paar hundert Euro kosten pro Stück, und somit manchmal teuerer sind als das Teleskop! Von TS und von Explore Scientific gibt es Komakorrektoren, die auch mit Okularen eingesetzt werden können, was Geld spart. Allerdings muss die Justage dennoch gründlich sein, denn Justagefehler kann selbst der beste Korrektor nicht kompensieren! Ein Genuß wird es dann, wann man mit einfachen Okularen durch eine f/6 oder gar f/8 (und langsamer) Optik schaut: Runde feine Sterne fast bis zumRand!

Seitdem ich kaum noch schnelle Teleskope verwende, habe ich die wenigsten Probleme und kann eine Nacht unter dem Sternenhimmel so richtig stressfrei genießen mit nahezu 100% Ausbeute. Zwar muss ich  theoretisch doppelt so lange belichten, aber dafür habe ich eine Erfolgsgarantie, da selten Ausschuss,  und einen Erholungseffekt! Und selbst wenn ich nicht wirklich mir die doppelte Belichtungszeit vornehme, typisch eher 2-4 Stunden pro Objekt, womit ich nicht die Detailtiefe eines f/4 Systems erreiche, dennoch sind es immer noch sehr beeindruckende Aufnahmen, siehe meine Deep sky Bilder. Schließlich sollen keine Rekorde gebrochen werden, wer die meisten Details erzielt. Hier geht es um Spaß, Freude, nicht um obsolete sportliche Rekorde!

Nochmals zu den visuellen Nutzern. Ein Optikmythos geistert bei denen rum, ein f/6 System sei vielleicht zu lichtschwach, geschweige ein f/8er. Falsch, denn visuell zählt die Austrittspupille, und bei gleicher AP und gleicher Öffnung, egal welches Öffnungsverhältnis, sind alle Systeme gleich hell. Den Begriff lichtschwächer gibt es also nicht bei visueller Nutzung und gleicher Öffnung!  Bei gleicher Öffnung wird das System mit mehr Brennweite bei Höchstvergrößerung ein entspannteres Beobachten ermöglichen, weil das Okular mehr Brennweite haben kann und somit der Augenabstand wächst.


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