Ich besitze viele Teleskope. Dabei tauchen Materialien auf wie BK-7, Suprax, Stahlblech, Carbon und Aluminium. In bestimmten Konstellationen neigen diese Stoffe zur erheblichen Ausdehnung (bei Temperaturverminderung zum Zusammenziehen, Kontraktion), was den Fokus verlagert. Da nachts meistens die Temperatur fällt, wird der Fokus verschoben. Man kann die Materialien aber auch in Kombinationen verwenden, wo selbst 7-10 Grad Temperaturschwankung den Fokus nicht verändern. Da ich Excel liebe, habe ich mir mal für meinen Teleskoppark die thermische Ausdehnung in einem Excelsheet berechnet. Zur Vereinfachung bin ich davon ausgegangen, dass der Tubus so lang wie die Brennweite ist. Ich weiß, er ist etwas kürzer beim Newton, halber Rohrinnendurchmesser, was aber nur etwa zweizehntel Grad im schlimmsten Fall ausmacht. Bei Stahltuben, wo der Strahl nach der Umlenkung in einen Aluminium OAZ eintritt, kompensiert sich der Vorteil eines kürzeren Tubus, da Aluminium einen hohen Ausdehnungskoeffizienten hat. Auch den meistens vorliegende Aluminiumauszug habe ich bis auf einen Fall vernachlässigt, wo er eine große Rolle spielt. Ab dem OAZ wird die Sache mathematisch komplex, denn dan folgt bis zur Kamera oft ein Aluverbindungsstück, meistens gefolgt von einem Komakorrektor, der wiederum Linsen hat. Daher sollte man die errechneten Werte nicht absolut betrachten, sondern als sehrt gute Tendenz und immer im Vergleich zu anderen Paarungen!
Die geringste Gesamtausdehnung hat man,wenn man zum Beispiel beim Newton zwei Materialien verwendet, die einen sehr ähnlichen Ausdehnungskoeffizienten haben, etwa Carbon und Quarzspiegel oder auch noch Suprax oder Pyrex. Man bildet nämlich immer die Differenz aller Materialien, also optische Elemente und Tubus.
In der Tabelle weiter unten habe ich mal die Temperaturtoleranz einiger real existierender Kombinationen berechnet. Hierbei fällt auf, dass natürlich schnelle Öffnungsverhältnisse wie etwa f/4 deutlich weniger Temperaturveränderungen tolerieren als ein langsameres System wie etwa f/6.
Schauen wir uns doch mal die Tabelle an:
www.scottys-universe.de/Fokusdrift.xlsx
Material | Ausdehnung | Blende | Fokustoleranz bei 400 nm, worst case | ||
2 | 0,0064 | mm | |||
2,8 | 0,0125 | mm | |||
Aluminium | 2,31E-05 | 4 | 0,0256 | mm | |
Stahl | 1,18E-05 | 4,8 | 0,0369 | mm | |
Carbon | 1,00E-07 | 5 | 0,0400 | mm | |
BK-7 | 7,10E-06 | 5,3 | 0,0449 | mm | |
Suprax | 4,30E-06 | 6 | 0,0576 | mm | |
Pyrex | 3,25E-06 | 6,3 | 0,0635 | mm | |
Quarz | 5,40E-07 | 8 | 0,1024 | mm | |
Zerodur | 1,00E-07 | 10 | 0,16 | mm | |
12 | 0,2304 | mm | |||
Tiefenschärfe=Fokustoleranz= 16 x (lambda/4)*N^2 | |||||
Paarung | Brennweite | Ausdehnung/mm pro Grad | max- Temperaturdifferenz/Grad Celsius | bei | |
Stahl-BK7 | 1000 | 4,70E-03 | 8,5 | f/5 | GSO 200/1000 |
Stahl-BK7 | 800 | 3,76E-03 | 6,8 | f/4 | GSO 200/800 |
Alu-Suprax | 1200 | 2,26E-02 | 2,6 | f/6 | OUK 200/1200 |
Alu-Suprax | 1600 | 3,01E-02 | 1,5 | f/5,3 | OUK 300/1600 |
Carbon-Suprax | 1200 | -5,04E-03 | -11,4 | f/6 | OUK 200/1200 |
Stahl-BK7 | 1500 | 7,05E-03 | 5,7 | f/5 | GSO 300/1500 |
Carbon-Suprax | 1200 | -5,04E-03 | -7,3 | f/4,8 | OUK 250/1200 |
Carbon-Suprax | 1600 | -6,72E-03 | -9,5 | f/6,3 | OUK 250/1600 |
Stahl-BK7 | 900 | 4,23E-03 | 13,6 | f/6 | GSO 150/900 |
Stahl-BK7 | 600 | 2,82E-03 | 9,1 | f/4 | GSO 150/600 |
Alu-Suprax | 1600 | 3,01E-02 | 2,1 | f/6,3 | OUK 250/1600 |
Alu-Suprax | 750 | 1,41E-02 | 2,8 | f/5 | OUK150/750 |
Carbon-BK-7 | 800 | -5,60E-03 | -4,6 | f/4 | GSO 200/800 |
Stahl-BK7 | 750 | 3,53E-03 | 11,3 | f/5 | GSO 150/750 |
Stahl-Suprax | 750 | 5,63E-03 | 8,0 | f/5 | Eigenbau |
Carbon-Quarz | 750 | -3,300E-04 | -174,5 (theoretisch!) | f/5 | Eigenbau |
In der folgenden Tabelle sieht man auch sehr schön, warum die Fokustoleranz bei schnellen Systemen erheblich kleiner wird. Bei schnellen Optiken kommt der der Lichtstrahl mit einem größeren Winkel aus dem Okularauszug als bei langsameren Systemen. Jeder zehntel Millimeter Abweichung vom Brennpunkt bedeutet, das Objekt verändert sich rasant in der Größe, was aber Unschärfe bedeutet. Deswegen setze ich als schnellestes System höchstens f/4 ein. Schon bei f/3 wird die Fokussierung ein Geduldsspiel, da hilft nur noch Motorfokus, wobei natürlich das System temperaturempfindlicher wird. Bei f/2 müssen Sie mehrmals die Nacht nachfokussieren, aber auch nachjustieren, da die leichteste thermisch bedinghte Verstellung übelste Konsequenzen hat.
Winkel des Lichtstrahls als Funktion des Öffnungsverhältnisses
Öffnungsverhältnis | Winkel | |||
2,00 | 28,07 | Winkel=2*arctan(D/(2*f)) | ||
4,00 | 14,25 | |||
5,00 | 11,42 | Sterngröße=2*tan(0.5 Winkel)*Ausdehnung | ||
5,30 | 10,78 | |||
6,00 | 9,53 | |||
6,30 | 9,08 | |||
8,00 | 7,15 | |||
10,00 | 5,72 |
Lassen Sie uns die Zahlenwerke noch genauer anschauen. Sie wissen schon, man muss bei der Ausdehnung immer zwei Materialien berücksichtigen: Den Tubus. und das optische Material. Wenn bei sinkender Temperatur der Stahltubus sich zusammenzieht, wird auch die Brennweite des Spiegels geringer,was sich teilweise kompensiert. Deswegen bildet man auch die Differenz der Materialien. Optimal wäre, wenn beide Materialien den gleichen Ausdehnungskoeffizienten hätten, was fast zutrifft bei Carbon und Zerodur. Anhand der Differenzen sehen Sie sofort, dass ein BK-7 Spiegel im teuren Carbontubus Unsinn, Abzocke ist, nennt sich UNC Newton, die Ausdehnung ist um rund den Faktor 1,5 größer als ein BK-7 Spiegel im Stahltubus!! Was sicherlich zu Gunsten des Carbontubus spricht, ist seine viel bessere thermische Isolierung, die das Tubusseeing minimiert. Die Unterseite eines metallischen Tubus ist nämlich meistens wärmer als die Oberseite, was Tubusseeing bedeutet, also unruhiges Bild. Aber auch die Tuben kann man sehr kostengünstig isolieren, der Heizungsbaubietet genug Isoliermaterial.
Insgesamt kann man sagen, dass die Kombination BK-7 Stahltubus eine brauchbare Paarung ist, mit der man viele Nächte ohne Nachfokussierung auskommt. Nicht nennenswert besser ist Carbon-Suprax, kritisch dagegen Suprax-Aluminium. Also bevor ich mir ein teures Carbon Suprax Gespann hole, nehme ich lieber BK-7 - Stahl, für Astrofotografie völlig ausreichend. Lediglich Spechtler, die Planeten mit höchster Vergrößerung beobachten, werden BK-7 kritisieren, weil dieses Material aufgrund seiner hohen Ausdehnung deutlich länger braucht als z.B. Suprax, Pyrex oder gar Zerodur, bis der Spiegel seine optische Maximalleistung bringen kann. Dies gilt aber nicht für Deep sky Astrofotografie. Da habe ich trotz fallender Temperatur bisher keine optischen Auswirkungen beobachtet! Warum Spiegel während ihrer Auskühlphase schlechte optische Leistung bringen, liegt an der ungleichmäßigen Auskühlung, wodurch die Parabel sich verformt.Würde der Spiegel überall gleichmäßig seine Temperatur verändern, gäbe es diese Probleme nicht, sicherlich aber eine Brennpunktverschiebung, wenn das Tubusmaterial nicht den gleichen Ausdehnungskoeffizienten hat. Ein Lüfter ist sicherlich ein guter Schritt Richtung gleichmäßigere Temperaturanpassung!
Interessant auch die diversen Betrachtungen von 150/750 Rohren. Hat man noch bei dem traditioniellen Gespann BK-7-Stahl gut 11 Grad Temperaturtoleranz, verschlechtert der Einbau eines besseren Suprax Spiegels die Toleranz um gut drei Grad!
Noch paar Worte zu der Kombination Quarz-Carbon. Die rund 175 Grad als maximale Temperaturveränderung sind keine realen Werte! Bei solchen Materialien mit extrem niedriger Ausdehnung macht sich natürlich ein sehr ausdehnungsfreudiger Aluokularauszug deutlich bemerkbar, den kann man dann nicht mehrvernachlässigen. Ich hatte einfach mal 65 mm Auszugslänge unterstellt und bin bei einer aufwendigeren Rechnung dann nur noch auf etwa 34 Grad gekommen, wasdennoch Traumwerte sind.
Das Öffnungsverhältnis, was das Gleiche ist wie die Blende beim Objektiv, legt die Tiefenschärfe (= Fokustoleranz) fest. Je lichtschwächer eine Optik, desto mehr Fokustoleranz bietet sie, und zwar quadratisch! Das bedeutet, f/8 hat gegenüber f/4 die vierfache Toleranz! Da ist man quasi versichert gegen Fokusdrift, ungenaue Fokussierung und Verkippung. Teilt man die Fokustoleranz durch die Ausdehnung, erhält man die maximale Temperaturdifferenz. Das heißt, solange die Umgebungstemperaturänderung innerhalb dieser max. Temperaturdifferenz liegt, braucht man nicht nachfokussieren. Besonders wichtig ist das Wort "maximal". Ob man die maximale Temperaturdifferenz auch ausnutzen kann, hängt einzig davon ab, wo man den Fokuspunkt platziert. Ein f/4 Rohr hat rund 26 um Fokustoleranz. Wenn Sie den Fokus in die Mitte legen, haben Sie nur nach beiden Seiten 13 um Toleranz, was die Temperaturtoleranz halbiert, wenn man davon ausgeht, dass die Temperatur nur fällt oder nur steigt, was die Regel ist, eher ersteres. Nehmen wir an, dieses f/4 Rohr ist die Kombination Stahl-BK-7. Meistens fällt die Temperatur nachts. Das Rohr zieht sich stärker zusammen als das Glas und somit die Brennweite. Der Fokus wandert almählich nach Außen. Um die maximale Temperaturdifferenz, Temperaturtoleranz wäre vielleicht passender, zu erreichen, müssten Sie den Fokus so weit wie möglich nach Innen legen, sprich der Fokusierer muss nach Außen gedreht werden! Und zwar so weit nach Außen drehen, dass Sie noch ein scharfes Bild haben! Soweit die Theorie. Mir ist klar,dass man selbst mit einer 1:10 Untersetzung nicht auf paar Mikrometer genau einstellen kann. Das mag mit einem Motorfokusierer möglich sein. Bei f/6 Systemen und langsamer könnte es vielleicht auch manuell funktionieren.
Bei Carbon Kombinationen haben Sie bestimmt schon das negative Vorzeichen bemerkt. Hier gilt dann bei der Ausdehnung genau das Gegenteil, da der Fokus sich nach Innen verlagert. Hier gilt dann bei der Fokussierung genau das Gegenteil von eben, sprich der Fokusierer muss nach Innen gedreht werden.
Interessant sind auch die Tabellen Öffnungsverhältnis und Winkel. Sie sehen, je schneller eine Optik ist, desto größer der Winkel. Das hat katastrophale Auswirkungen bei Defokusierung z. B. durch Temperaturänderung, denn je größer der Winkel, desto größer (unschärfer) wird der Stern. So ein f/2 Hyperstarsystem wird also schon bei der geringsten Defokusierung mit großen Sternen antworten. Aber auch bei Verkippung, die man immer geringfügig hat aufgrund einer Klemmung, wird dieses System durch die geringe Fokustoleranz mit erheblichen Strichen reagieren. Deswegen priorisiere ich moderate Systeme von f/5-f/6, da habe ich viel weniger Stress. Wenn Sie die Exceltabelle downloaden, können Sie in den gelben Eingabefeldern mal den Winkel und die Ausdehnung eingeben, um herauszufinden, um wieviel um auf einmal ein Stern größer wird. Winkel und Ausdehnung können Sie in den Tabellen ablesen. Letztere Größe müssen Sie nur noch mit der Temperaturdifferenz multiplizieren. In diesem Beispiel habe ich errechnet, auf welchen Durchmesser und Fläche ein idealer Stern (Größe 0 um) bei einem f/5.3 Alu-Suprax System bei 3 Grad Temperaturänderung anwächst, wenn die Temperaturtoleranz schon vorher erreicht wurde.
Zum Schluß noch etwas Werkstoffkunde. Ich hatte in China mal Preisanfragen gestartet bezüglich Invarrohre. Invar ist eine Eisen-Nickellegierung und hateinen Ausdehnungskoeffizienten von nur 1E-6, kommt dem Carbon also schon verdammt nah! Leider waren die Preise meines Erachtens unrealistisch, sie lagennur etwa 35% unter Carbontuben. Dennoch sollten wir mal die Augen für diesen Werkstoff offen halten, denn die Carbontuben halte ich für völlig überteuert trotz der komplexen Herstellung dieses Werkstoffes.